Vor der Überlegung, ob und wie eine Rattenhaltung beginnen soll, sollte man sich natürlich ausgiebig mit der Haltung und den Bedürfnissen der Tiere auseinander setzen. Dafür gibt es bereits gute Informationsseiten. Natürlich kann man auch auf Ratgeber zurück greifen, diese variieren aber meist sehr stark in ihrer Qualität und sind meist nicht auf dem aktuellen Stand. Es hat sich viel getan in der Rattenhaltung – zum Glück – und da kommen Bücher nicht so schnell mit, zumal diese selten von Menschen mit wirklich viel Erfahrung mit dieser Tierart geschrieben werden.
Empfehlenswert ist die FAQ bei www.rattenforum.de . Wer sich nicht in einem Forum registrieren will, findet bei www.diebrain.de eine recht ordentlich recherchierte, sehr informative Seite über die Haltung von (unter anderem) Farbratten. Für einen ersten Einblick ist man hier auf jedem Fall gut aufgehoben. Hier findet man auch viele Fotos von möglichen Rattenkäfigen.
Viel hat sich getan in den letzten Jahren. War man vor einigen Jahren mit 50x30x60 schon der Besitzer des größten verfügbaren „Palastes“ für seine eine Ratte (die man halten sollte, damit sie schön zahm werden), konnte man sich nach und nach auf immer größere Mindestmaße von Käfigen einigen. Aktuelle Diskussionen sind im Bereich von 1m Breite und mehr. Dies liegt daran, dass man sich mehr mit den Bedürfnissen der Ratte beschäftigt, die heut zu tage auch mindestens zu dritt leben soll, da man in den letzten Jahren festgestellt hat, dass Pärchen viel zu häufig unharmonisch waren und sich nicht genug waren. Es kam zu Stressreaktionen, Streit, Krankheit, da die Ratten nicht die Möglichkeit hatten, ihr artgerechtes Verhalten zu zeigen. Aus eigener Erfahrung erlebe ich, dass meine Rudel besonders ausgeglichen sind und gut funktionieren, wenn es ab 5 Tieren sind – die Charaktere mal außen vor gelassen. Und Mindestgrößen würde man natürlich auch gerne viel höher ansetzen. Dass man trotzdem so niedrig bleibt ist dem geschuldet, dass es wenig Käfige in bezahlbarem Rahmen gibt, noch viel weniger Neu-Rattenhalter mit so viel Platz (immerhin sind es gerne junge Leute im Schulalter, Ausbildung oder Studium) und es vermutlich bei gar zu hohen Hürden viel zu wenig Rattenhalter gäbe, um den vielen Notfalltieren ein Zuhause zu bieten. Fakt ist ja auch, dass viele Rattentrios in Käfigen mit Mindestmaß ein sehr glückliches Leben führen können, wenn sie einen liebenden Halter haben, der ihnen jeden Tag einen spannenden Auslauf bietet.
Trauriger Fakt ist auch, im Gegensatz zu den Wildratten nutzen Farbratten ihre riesigen Käfige selten ausgiebig. So mancher Halter war schon frustriert, dass sich das ganze Rudel grundsätzlich auf der obersten Etage stapelt und untere Ebenen fast vollständig ignoriert werden.
Wichtige Erkenntnis der letzten Jahre auch: Ratten sind keine Flughörnchen. Sie können schon klettern, wenn es sein muss, aber der Art entsprechend lieben sie Tunnelsysteme mit viel Laufflächen und Dingen zum drunter durch oder hineinschlüpfen. Während Wildratten, vor allem die Weibchen, in hohem Alter gerne noch überall herumklettern, ist der Ehrgeiz bei Farbratten da deutlich geringer und bei Böcken gerne schon sehr früh verloren. Daher empfehle ich gerade für Böckehalter eher breitere Käfige, als nur 80cm, in denen sie sich 2,5m hoch schrauben könnten… wenn sie mal nicht zu faul dazu wären. Und der alte Käfig, der eine Vogelvoliere mit wenigen Ästen und kleinen Sitzbrettern dastellte seinerzeit, ist mangels Flugfähigkeit mittlerweile auch nicht mehr üblich.
Was sich auch stark verändert hat, ist der Bodenuntergrund im Käfig. Da Farbratten so stark anfällige Atemwege haben, wird auf Stroh und Heu schon sehr lange verzichtet, oftmals nun auch auf Einstreu. Stattdessen lebt die Ratte von heute auf festen Handtüchern und Zeitungspapier. Einstreu gibt es nur noch in den Ecken in Ecktoiletten, die mit unterschiedlicher Begeisterung genutzt werden.
Fortgeschrittene Rattenhalter entscheiden sich heute oftmals dafür, das Futter ihrer Farbratten selbst zu mischen. Der Hintergrund ist vor allem zu wissen, was in dem Futter alles drin ist und dadurch auf Pressfutter und Zusatzstoffe zu verzichten. Das ist allerdings sehr schwierig und aufwändig und lohnt sich erst bei einer höheren Anzahl an Futtervertilgern. Von einem Selbstversuch ist da dringend abzuraten, da bei einem Mangel im Grundfutter durchaus mit Mangelerscheinungen zu rechnen ist. Zu diesem Thema hat meine Kollegin der Notrattenhilfe Bielefeld sehr wertvolle Arbeit geleistet und die Ergebnisse auf ihrer Seite zusammengefasst: Selbstmischfutter
Dem normalen Rattenhalter empfehle ich, ein vollwertiges Rattenfutter zu nehmen – damit fährt man sehr gut und schließt ernsthafte Mängel und Probleme aus. Sehr empfehlen kann ich Tima Rattima, das ich selbst über 10 Jahre verwendet habe. Mit Vilmie stellt zooplus eine günstigere Variante her, die auch nutzbar ist. Größere Futterreste und mehr Pressfutter sind in JR Farm Rattenschmaus. Dieses wird aber auch von vielen Rattenhaltern gegeben. Da ich Pelletfutter als Grundfutter für Farbratten grundsätzlich ablehne, erwähne ich, dass es in SSSR-Pellets eine viel genutzte Variante gibt. Jedoch beraubt man einem Nagetier hier seines größten Lebensinhaltes, verschiedene Inhalte zu durchsuchen, in einem Futter zu wühlen, schnüffeln und suchen, Kerne zu schälen, Körner zu knabbern, verschiedene Konsistenzen zu bearbeiten und verschiedene Geschmäcker zu erleben. Welch traurige Vorstellung, ein Tier müsste nur mit dieser Astronautennahrung sein Leben fristen… ja, ich führe sie trotzdem auf, denn, ich habe sie tatsächlich immer hier. Sie leisten mir seit Jahren treue Dienste als Futter für die Transportbox, als Unterstützung bei ganz alten und kranken Ratten und als wichtigstes und (fast) einziges Leckerli hier im Haus. Die Ratten fahren total drauf ab – sie wissen ja Gott sei Dank nicht, dass sie nur Rattenfutter bekommen – und brauchen keine ungesunden Zuckerteile, sondern können selbst beim Belohnen noch vollwertiges Futter zu sich nehmen.
Um der Tierart gerecht zu werden empfehle ich auch dringend, auf Nippeltränken zu verzichten und Näpfe anzubieten. Die werden jeden Tag schmutzig, aber der Wasserwechsel gehört ja sowieso dazu. Wanderratten leben immer in Wassernähe und sind tatsächlich hervorragende Schwimmer, sie haben keine Angst vor Wasser. Das steckt in unseren Farbratten schon noch drin. Sie tauchen gerne ihre Pfoten ins Wasser, tauchen mit dem Kopf unter Wasser nach Fressbaren am Wasserboden, selten gibt es sogar Ratten, die das Wasser statt zu schlecken mit den Pfoten schöpfen – eine niedliche Eigenart, die man sonst nie sehen dürfte und eine Verhaltensweise, die sie wieder nicht zeigen dürfte.
Beobachtungen desweiteren beschäftigen sich mit den Futterzusätzen. Der oft empfohlene Salzleckstein ist in keinem Fall notwendig, sogar gefährlich für die Nieren. Bitte diesen nie verwenden. Anders ist es beim Kalkstein (ohne Zusätze!). Dieser ist einige Zeit wie andere solche Zusätze aus den Käfigen verschwunden. In den letzten 10 Jahren durfte ich aber erleben, dass insbesondere sehr alte Ratten mit Gelenkproblemen, Ratten mit Schmerzen, Bauchschmerzen und manchen Infektionskrankheiten plötzlich beginnen, auf den Kalkstein zurück zu greifen. Auch Muttertiere und Jungtiere im Wachstum tun dies manchmal. Andere Tiere ignorieren ihn, da er ja offensichtlich nicht schmeckt. Der Kalkstein ist daher hier ein wichtiges Instrument zur Früherkennung von Gesundheitsproblemen und Mittel, mit dem die Ratten selbst Mangelerscheinungen kurieren können, von denen wir gar nichts mit bekommen hätten. Manch einer merkt vielleicht, dass seine Ratte beginnt, die Wohnungswände anzufressen. Dann sollte doch als gesündere Alternative ein Kalkstein in den Käfig.
Gibt es noch Themenwünsche zum Thema Rattenhaltung? Gerne bei mir anfragen!